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SEIT 1899 IN BESTEN HÄNDEN...

von Otto Lattreuter


Am 1. Oktober 1949 schreibt mein Großvater Ernst Anton Lattreuter in seinen »Blättern der Erinnerung«, aus Anlass des 50-jährigen Bestehens seines Druckereibetriebes: »Erst im späten 19. Jahrhundert hatte die Buchdruckerkunst eine Pflegestätte in Nierstein am Rhein gefunden. Wenn man die Geschichte, vor allem die Wirtschaftsgeschichte unserer Gemeinde verfolgt, so ist das nicht verwunderlich. Die Bedürfnisse der bis dorthin vorwiegend Weinbau und Ackerbau treibenden Bevölkerung waren nicht so geartet, dass sie der Kunst Gutenbergs in besonderem Maße bedurft hätten. Nierstein war nicht der Sitz höherer Verwaltungsbehörden, die sich eines Publikationsorgans bedient hätten. Der Boden war für die dauernde Niederlassung einer Druckstätte nicht geeignet.

Die anhaltende Aufwärtsbewegung der Gemeinde im 19. Jahrhundert hinsichtlich der Bevölkerungszahl und ein unverkennbarer wirtschaftlicher Aufstieg, der Weinbau und Weinhandel als wichtigste Erwerbszweige in den Vordergrund schob, ergaben hier eine Änderung. Die Verbesserung der Verkehrsmittel förderte die Absatzmöglichkeiten für den in aller Welt bekannt gewordenen, durch die Dichter der Romantik vielfach besungenen Niersteiner Wein. In einer solch rührigen Gemeinde wächst dann auch das Bedürfnis, sich Geltung zu verschaffen, wichtige, noch nicht bodenständig gewesene Gewerbe heranzuziehen und für das aufstrebende Gemeindeleben und seine wirtschaftliche Produktion zu werben. Durch den stattlichen Neubau eines weitläufigen Schulgebäudes, durch die Errichtung eines eigenen Elektrizitätswerkes und einer eigenen großen Pumpstation für die Wasserversorgung kam deutlich genug zum Ausdruck, dass sich hier ein kräftiges gesundes Leben reich entfaltete. Der Bau der Bahnstrecke Nierstein-Undenheim, der unsere Gemeinde mit dem rheinhessischen Hinterland verband, förderte die Verkehrsverbindungen, der Ausbau unserer Rheinflotte und seine Auswirkungen auf Nierstein als „Schiffergemeinde", das alles veränderte die Struktur so sehr, dass die Niederlassung einer Druckwerkstätte zu einer Notwendigkeit geworden war«.


Die erste Generation

Haus und Inventar der 1893 gegründeten Buchdruckerei in der Mainzer Straße übernahm mein Großvater am 1. Oktober 1899. Neben verschiedenen Druckschriften, Materialien, Regalen und einem eisernen Ofen bestand das Inventar aus einer Krause Schneidemaschine und einer Johannisberger Schnellpresse mit Benzinmotor von Benz in Mannheim. Diese Einrichtung war ganz auf die Herstellung der von Anfang an verlegten Zeitung ausgerichtet. Wegen der hinzukommenden Druckaufträge wurde darum im Laufe der Zeit eine kleinerformatige Tiegeldruckpresse erworben und die Buchbinderei/Fertigmacherei ausgebaut.

Dieser Grundstock war der Ausgangspunkt für eine Entwicklung, die sich immer an den jeweiligen Gegebenheiten zu orientieren hatte. Überschaubar und aus heutiger Sicht beschaulich, wenn auch unter wesentlich härteren Arbeitsbedingungen, bestand der Betrieb die Jahrzehnte hindurch. Maschinen wurden erst ersetzt, wenn sie wirklich alt waren und ihre Schuldigkeit getan hatten. Die Hilfsgeräte taten lange Jahre ihre Dienste, bis sie gegen neuere, schnellere ausgetauscht wurden. Die Druckschriften fanden lange Jahre Verwendung, bis sie wirklich abgenutzt waren und sich neue Stilarten durchgesetzt hatten.

Das politische und wirtschaftliche Auf und Ab hinterließ auch im Betrieb des Ernst Anton Lattreuter seine Spuren. Der erste Weltkrieg, die Währungsreform 1923, die Zeit der Massenarbeitslosigkeit Anfang der dreißiger Jahre brachten viele Sorgen mit sich und der Bestand des Betriebes war manchmal in Gefahr. Doch durch zähen Fleiß wurden auch solche Zeiten überwunden. 1933 schließlich wurde die Lokalzeitung »Niersteiner Warte« im Zuge der Gleichschaltung aufgelöst und ging in den Mainzer Anzeiger über.

Der Kriegsausbruch im Jahr 1939 brachte wieder Einschnitte in den Geschäftsablauf. Eine Buchhandlung wurde in der Gartengasse eingerichtet. Viele Niersteiner werden sich noch daran erinnern, dass über den heißgeliebten Bänden von Karl May eine Büste von Winnetou thronte, umrahmt von Tomahawk und anderen Indianerwaffen.

Zum Ende des Krieges gab es zunächst nur Rückschläge. Mein Vater Hans Lattreuter war noch in Kriegsgefangenschaft, als am 27. April 1945 der Mainzer Polizeipräsident Steffan die Druckerei beschlagnahmte und am 1. Juni 1945 einen »Treuhänder« für den Betrieb einsetzte, der unberechtigterweise den Firmennamen änderte und sich den Kunden des Hauses als »Buchdruckerei J. M. Kronenberger« präsentierte.

Am 7. Juni 1946 beschlagnahmte die Militärregierung die wichtigste Druckmaschine, eine »Ariston-Elka«, ließ sie abmontieren und abtransportieren. Alle Bemühungen um Rückgabe oder Entschädigung für die entnommene Maschine und um Rückgabe des ohne Angabe von Gründen beschlagnahmten Betriebes schlugen fehl. Schließlich wurde der Betrieb am 30. August 1947 nach über zwei Jahren an den rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben.


Die zweite Generation

Am 1. Januar 1950 übernahm mein Vater Hans Lattreuter, inzwischen aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, den Betrieb und führte ihn unter dem bisherigen Firmennamen »Ideal-Verlag E. A. Lattreuter« weiter. Unter schwierigsten Umständen baute er den Betrieb aus und sorgte für eine zeitgerechte, moderne Einrichtung. Durch Kriegs- und Nachkriegsjahre und die Beschlagnahme war der Betrieb veraltet und erforderte viel Arbeit und Zähigkeit um den Erfordernissen der Zeit zu entsprechen.

Neue Maschinen wurden angeschafft, neue Schriften ersetzten die unzeitgemäßen Typen und mit dem allgemeinen Aufschwung und mit viel persönlichem Einsatz konnte der Betrieb wieder seinen Aufgaben gerecht werden.

Viele Mitarbeiter sind in den langen Jahren in unserer Buchdruckerei tätig gewesen, die sich voll mit ihrem Betrieb identifizierten. Doch einer aus dieser Zeit soll herausgehoben werden, der nach seiner Lehrzeit mit Unterbrechung von einigen Jahren in fremden Betrieben stets der Firma treu blieb: Robert Dörge. Ein Mann, dem nie etwas zu viel war und der praktisch alles konnte, sei es das Setzen, das Drucken oder die Arbeit in der Buchbinderei. Er war es auch, der dem junior auf all diesen Gebieten half und ein treuer Mitarbeiter war.


Die dritte Generation

Im Jahre 1965 übernahm ich den Betrieb von meinem Vater. Es war die Zeit der beginnenden technischen Veränderungen, die gerade im grafischen Gewerbe begannen. Der seitherige Buchdruck wurde allmählich abgelöst von einem neuen Verfahren, dem Offsetdruck. Parallel dazu veränderte sich auch die so genannte Druckvorstufe, der Handsatz hin zum Fotosatz. Das waren Entwicklungen in einem Tempo, wie man es in der Branche bisher nicht gekannt hatte. Wer nicht bereit war, sich mit den neuen Techniken vertraut zu machen, der blieb hoffnungslos auf der Strecke. Den alten Beruf des Handsetzers, den ich noch erlernt hatte, gab es in dieser Form nicht mehr. Die Satztechnik der »beweglichen Letter«, wie sie Gutenberg erfand, hatte ausgedient. Der Handsetzer war zum Fotosetzer am Satzcomputer geworden. Umschulung war gefordert. Im Laufe der Zeit wurde aus der ehemaligen Buchdruckerei ein Dienstleistungsunternehmen, das sich mit Hilfe von speziellen Satzcomputern auf die Druckvorstufe, den Fotosatz (nach seiner Technik auch Lasersatz genannt) und auf die Aufgaben eines CopyShops konzentrierte.

Ab 1990 entschloss ich mich zur Spezialisierung auf den Fotosatz, auf die Druckvorstufe. Die Firmenbezeichnung wurde in »Lasersatz Lattreuter GmbH« umgeändert. Daneben wurde unter der Bezeichnung »Lattreuter CopyShop« der Bereich Fotokopien ausgebaut, nachdem diese immer mehr die einfachen Gebrauchsdrucksachen aus den Druckereien verdrängten.


Die vierte Generation

Im Laufe dieser Entwicklung übernahm mein Sohn, Michael Lattreuter, 1995 in vierter Generation die eigenständige Abteilung Foto(Laser)satz und 1998 schließlich auch den CopyShop. Wiederum der Technik und dem Aufgabengebiet entsprechend gab es eine neue Firmierung, die auf »Lattreuter GmbH - design - copy - print« geändert wurde. Tiefgreifende technische Entwicklungen und Veränderungen prägen seitdem die Lage im grafischen Gewerbe, immer raffiniertere, schnellere und effektivere Arbeitsmethoden wechseln sich in atemberaubendem Tempo ab. Was heute noch neu war, ist morgen schon nicht mehr »up to date«. Möglichkeiten in der Gestaltung und Ausführung von Drucksachen ergaben sich, die die alten »Handarbeiter« ins Staunen versetzen und vor Neid erblassen lassen. Nicht mehr die Erfahrung zählt, nicht mehr ihre Weitergabe an die nachfolgende Generation, es gilt vielmehr das Begreifen von Vorgängen, die man sich nicht vorstellen kann und von denen man nur die Wirkung kennt.


Die fünfte Generation

Inzwischen steht die fünfte Generation in Gestalt meines Enkels Pascal Lattreuter bereit, irgendwann in einer nicht mehr allzu fernen, technisch wohl noch perfekteren Zukunft zu bestimmen, wie die gestellten Aufgaben mit Wissen und Können umzusetzen sind. Wenn zu diesem technischen Können auch noch die Freude am Schaffen, am Beruf und am Erfolg hinzukommt dann kann man eigentlich die Zukunft ohne Furcht sehen.